Mohammed: Der Prophet

Mohammed: Der Prophet
Mohammed: Der Prophet
 
Mohammed ist der Begründer des Islam, zu dem sich heute rund 20 Prozent der Weltbevölkerung, mehr als eine Milliarde Menschen, bekennen. Zur Zeit seiner Geburt um das Jahr 570 n. Chr. schien Arabien reif zu sein für einen religiösen Wandel; als Mohammed im Jahre 632 starb, war er religiöser und politischer Führer ganz Arabiens, und wenige Jahrzehnte später gehörte der Vordere Orient von Persien bis Syrien sowie Nordafrika zum Islam. Der Großteil der Arabischen Halbinsel war zu Lebzeiten Mohammeds von nomadischen Beduinen besiedelt; nur an wenigen Orten, vor allem in Mekka, wohnten sesshafte Stämme. Im Süden gab es seit dem Beginn des ersten Jahrtausends v. Chr. Ackerbaukulturen: Stadtstaaten mit Königen, Adel, Priestertum, Handwerkern und Bauern. In den Ackerbaugebieten Arabiens waren Vegetationskulte verbreitet, die denen des kanaanäischen Raums ähnlich waren. Anders sah es in den weiten Wüstengebieten Zentralarabiens und in den Steppengebieten des Nordens aus: Hier waren Kultur und Religion der Nomaden bestimmend. Stammesgötter wurden - ohne feste Heiligtümer - verehrt; heilige Zelte, die man auf Wanderschaft mitnehmen konnte, dienten als Kultstätten, darüber hinaus Orte, an denen geologische Besonderheiten, zum Beispiel bizzarre Steine, Quellen, die Aufmerksamkeit erregten. Über die Götter hinaus wurden Djinnen (»Geister«) verehrt, zu denen Kahin, eine Art von »Propheten«, die Verbindung herstellten. Sie wurden befragt, wenn in einem Stamm oder in einem Familienverband wichtige Entscheidungen anstanden. Sie versetzten sich dann in Ekstase, sodass der angerufene Djinn aus ihnen redete. Ihre Sprüche formulierten sie in Reimprosa, also in Prosaworten mit lockeren Endreimen, und bekräftigten sie mit Schwüren bei Sonne, Mond und Sternen. Als Relikt des weit verbreiteten Steinkultes ist die Verehrung der Kaaba in Mekka anzusehen - eines würfelförmigen Heiligtums, in dessen Wände zwei Meteoriten eingemauert sind.
 
Der Polytheismus scheint bereits im 6. Jahrhundert an Kraft verloren zu haben. Dem Namen einzelner Götter fügte man oft die Silben »Al-ilah« bei - sie wurden zusammengezogen zu »Allah«, Gott -, um sie als Erscheinungsformen einer einzigen Gottheit zu kennzeichnen; Allah wurde auch schon wie ein selbstständiger, höchster Gott verehrt. Religiös sensible Männer, die Hanifen, das heißt »Gottsucher«, zogen sich gelegentlich in die Einsamkeit zurück, um dort dem einen Gott zu begegnen. Tendenzen dieser Art wurden bestärkt durch die Anwesenheit von Juden und Christen an der Westküste und im Süden Arabiens. Im Inneren Arabiens allerdings gab es wohl keine jüdischen oder christlichen Gemeinden. Aber man wird dort gewusst haben, dass sie nur einen Gott verehrten, an eine Auferstehung und ein Gericht glaubten, eine heilige Schrift besaßen und keine Schlachtopfer darbrachten. Dieses Wissen könnte die Bereitschaft zu einem Wandel in der arabischen Religion bestärkt haben. Unsere Kenntnis über Mohammeds Leben stützt sich auf mehrere Quellen. Im Koran finden sich kaum Angaben über seine Kindheit und Jugend, und auch nicht viel über seine Predigttätigkeit in Mekka - insgesamt also für zwei Drittel seines Lebens. Erst seit der Übernahme einer religiös-politischen Rolle in Jathrib - nach Mohammeds Tod unbenannt in Medina, »Stadt« (des Propheten) — wird das Material ein wenig dichter.
 
Wenn Mohammed im Islam auch nicht die Rolle spielt, die Jesus im Christentum zukommt - er ist nicht heilsrelevant -, so besitzt er für die Muslime doch eine große Bedeutung; er hat im Auftrag Allahs die Offenbarung vermittelt und ist bis heute Vorbild für die Regelung aller ethischen und rechtlichen Fragen in der islamischen Gemeinschaft. Deswegen bildete sich um seine Gestalt bald eine reichhaltige Sunna, »Überlieferung«, die in umfangreichen Erzählungen, den Hadithen, schriftlich festgehalten ist; zusätzlich gibt es umfangreiche biographische Werke. Muslimen ist somit sein Leben in allen Einzelheiten bekannt. Die westliche Islamforschung ist weithin der Meinung, dass der Koran allein keine Biographie Mohammeds liefern kann. Der Rückgriff auf die Tradition ist jedoch problematisch. Hadithsammlungen und Biographien sind erst rund 200 Jahre nach Mohammed zusammengestellt worden; sie bieten Anekdotisches und im Sinne der späteren Gemeindeinteressen tendenziös gestaltetes Material. Ein Teil der Forscher will diese Stoffe überhaupt nicht als historische Quellen berücksichtigen, andere greifen doch in Teilen auf sie zurück: »Ohne dieses Material ist der Koran als historische Quelle unbrauchbar« (Watt/Welch).
 
In der westlichen Literatur, die sich hierbei sowohl auf die muslimische Tradition wie auf Hinweise des Korans stützt, wird das Leben Mohammeds, wenn auch öfter mit Vorbehalten, folgendermaßen wiedergegeben: Mohammed - die arabische Namensform lautet Muhammad - wurde um 570 in Mekka geboren und wuchs als Waise bei seinem Onkel Abu Talib auf. Wahrscheinlich konnte er nicht lesen und schreiben und war, wie die meisten Araber dieser Gegend, zunächst im Handel, als Esel- oder Kameltreiber, tätig. Er trat in den Dienst der 20 Jahre älteren reichen Kaufmannswitwe Chadidja, die er im Alter von etwa 20 Jahren heiratete. Sie gebar ihm zwei oder drei Söhne, die früh starben, und eine Tochter Fatima. Mohammed blieb ihr treu bis zu ihrem Tod. - Erst danach heiratete er eine Reihe weiterer Frauen, darunter seine Lieblingsfrau Aischa. - Diese Ehe machte Mohammed finanziell unabhängig, sodass er sich ungestört seiner religiösen Beschäftigung widmen konnte. Im Alter von etwa 40 Jahren, also um 6l0, hatte er, angeblich in einer Höhle am Berg Hira, ein visionäres Erlebnis.
 
Mohammed fing an, den Glauben an den einen und einzigen Gott, seine fortdauernde Schöpfungstätigkeit, an das nahe bevorstehende Gericht und die Auferstehung von den Toten zu predigen. Seine Verkündigung aber war über mehr als ein Jahrzehnt ohne große Erfolge; er konnte, bestärkt durch seine Frau Chadidja, lediglich 60 Anhänger gewinnen, die weithin den unteren sozialen Schichten entstammten. Die neue Gruppe wurde stark angefeindet; als seine Frau und sein Onkel starben, wurde auch für ihn die Lage schwierig. Araber oder Juden aus dem benachbarten Jathrib sollen Fühlung mit Mohammed aufgenommen haben. Wahrscheinlich meinte er, in Jathrib eher mit seiner Verkündigung Anklang zu finden, und siedelte daher 622 mit seinen Gefährten von Mekka nach Jathrib um. Diese Hidjra (»Auswanderung«) markiert den Beginn der islamischen Zeitrechnung. In Jathrib gelang es Mohammed nicht, wie er gehofft hatte, die dortigen jüdischen Gruppen hinter sich zu sammeln. Jedoch fiel seine Predigt bei den ortsansässigen Arabern, die durch die Nachbarschaft mit den Juden schon »vorbereitet« waren, auf fruchtbaren Boden.
 
Mohammed hatte Erfolg und begann, sich als eigenständigen Religionsstifter und Gesandten Gottes in der Reihe der biblischen Propheten zu begreifen. Seine Predigt kreiste jetzt vor allem um die rechtliche Ordnung der Gemeinde. Seine Anhänger organisierte er entsprechend den Stammesstrukturen seiner Heimat als eine religiöse, zugleich aber auch politische, soziale und militärische Gemeinschaft, die Umma. Die Juden wurden ausgerottet oder gewaltsam vertrieben, Jathrib wurde so zur ersten islamischen Stadt. Durch Überfälle und Raubzüge gelang es, immer größeren Reichtum und damit auch Macht zu sammeln. Bald strebte Mohammed auch nach der Herrschaft über Mekka. Er provozierte selbst den Konflikt, indem er seine Anhänger den religiösen Gottesfrieden während der Mekkawallfahrten brechen ließ. Die Mekkaner waren empört und schickten ein Heer. Obwohl dieses zahlenmäßig und militärisch überlegen war, konnten Mohammeds Anhänger den Sieg davontragen. Im Jahre 630 gelang es ihm, Mekka zu erobern. Bald schloss sich ihm nun ein Stamm nach dem anderen an. Das bedeutete jedoch, dass die Stämme nicht mehr ihre tradierten Götter, sondern einzig Allah verehren durften; wer sich nicht fügte, zog die Todesstrafe auf sich. Während dieser Zeit soll Mohammed seine Trennung von Juden und Christen sehr scharf vollzogen haben. Weil diese aber den einen Gott, wenn auch nicht auf die richtige Weise, verehrten und »Schriftbesitzer« waren, wurden sie nicht getötet, sondern durften - in einem untergeordneten Rang - weiterleben. Mohammed starb im Jahr 632, auf der Höhe seines Erfolgs, im Haus seiner jüngsten und liebsten Frau Aischa.
 
Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig
 
 
Hartmann, Richard: Die Religion des Islam. Eine Einführung.Berlin 1944. Nachdruck Darmstadt 1992.
 Paret, Rudi: Mohammed und der Koran. Geschichte und Verkündigung des arabischen Propheten. Stuttgart u. a. 71991.

Universal-Lexikon. 2012.

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